Bikram: Yogi, Guru, Raubtier

Dokumentation, USA, 2019

Bikram Choudhury, in Indien geboren, migriert in die USA. Nach eigenen Aussagen, hätte er Nixon geholfen und der hat ihm die Green Card geschenkt. So hat er sich, dank seiner Beziehungen zur Prominenz und Politikern, zum gefeierten Yoga-Guru in Beverly Hills gemausert. Er lehrte seinen eigenen Yogastil – Bikram Yoga – und expandierte schnell in ganz Amerika. In den 90er Jahren begann er, neunwöchige Lehrerzertifizierungskurse anzubieten und Tausende von Lehrern auszubilden, die dann berechtigt waren, eigene Bikram-Yoga Studios zu leiten.

In der Dokumentation wird Bikrams Aufstieg und Fall aufgezeigt, dazu erzählen seine ehemaligen SchülerInnen über ihre Erfahrungen.

Sarah erzählt, wie begeistert sie von ihm sei. Dann wurde sie eines Tages in sein Büro gebeten, Bikram teilte ihr mit, er wolle eine Beziehung mit ihr. Wie dieses Gespräch ausging, weiss ich nicht. Sarah dachte sich nur, mit Wimper-Klimper-und-Augen-Aufriss samt gespielter Dramatik „Ohhhh maaayyyy Goooodd“. Hatte sie aber „Nein, ich will nichts von dir“ gesagt?

Später drängte er sich ihr auf, sie lief davon. Aber sie ging nicht weg, weil sie ja unbedingt erfolgreich sein und mit Bikram-Yoga Geld verdienen wollte. Jahre später als sie schon Mutter war, kam ihr in den Sinn, dass er sie sexuell belästigt hätte und mit ihrer Klage brachte sie den Stein ins Rollen.

Eine andere Frau erzählt, wie er sie vergewaltigt hätte, dann seine Shorts hochgezogen und sich zum Sofa begeben. Sie ging zu ihm, küsste ihn auf die Stirn und verliess das Zimmer.

Weitere Frauen erzählen, wie toll sie ihn früher mal fanden. In den Aufnahmen wird gezeigt, wie er in seinen schwarzen Unterhosen auf diesem „Thron“ sass, fluchte, „Bitch“ schimpfte, etc. und die Leute lachten, um sich Jahre später, nachdem sie damit Geld verdient hatten, über seine rüde Art und seine komischen Unterhosen aufzuregen.

Ich überlegte die ganze Zeit, den ein oder anderen Exfreund zu verklagen, weil es Zeiten gab, in denen ich in die verliebt war und per se geistig umnachtet. Und so ein paar Jahre später, an die Stirn schlagend, wäre es doch toll, die dafür büssen zu lassen. Die müssen doch Gehirnwäsche betrieben haben, anders wär’s ja gar nicht möglich, dass ich mich auf sowas eingelassen hätte. Aber meine Exfreunde sind nicht reich und ich nicht mediengeil, also hab ich das wieder verworfen. Aber so kamen mir diese Berichte rüber. Scham, dass man sowas mal toll fand.

Ich kannte Bikram-Yoga bis zu dieser Doku gar nicht. Wahrscheinlich waren seine Absichten am Anfang durchaus aufrichtig, aber mit der Zeit ist er grössenwahnsinnig geworden. Wenn dich die Leute wie einen Gott anbeten, glaubst du doch mit der Zeit, Gott zu sein. Und offensichtlich wurde er angebetet. Es sagte ja auch niemand Nein. Er hatte jahrelang keine Klagen gehört.

Mir schien nicht alles glaubwürdig. Ich behaupte gar nicht, dass er kein Verbrecher ist. Was mich stört ist die Art, wie diese Doku gemacht ist. Netflix ist nicht an Fakten interessiert sondern einzig und allein an Empörung und Skandal-Produktion. Es wird angezweifelt, dass er tatsächlich Nixon kennengelernt hätte, aber die Frage, wie er zu seiner Green-Card kam, bleibt unbeantwortet. Es werden Fotos mit sehr vielen Prominenten und Politikern gezeigt, aber nicht näher darauf eingegangen. Seine Art Yoga zu praktizieren wird angezweifelt. Aber die Leute erzählen ja selber, dass sie sich danach wie neugeboren fühlten und seine Kurse sind auch jetzt im 2019 voll. Die Doku betreibt Meinungsmache statt sachlich und objektiv die Fakten aufzuzeigen.

Mich hat die Machart gar nicht überzeugt.

👎

How to Murder Your Life – Cat Marnell

Cat Marnell hat es geschafft, mit 26 ist sie Beauty-Redakteurin und schreibt für bekannte Hochglanz-Fashionmagazine. Tagsüber ist sie ein fester Bestandteil dieser Glamour-Welt, nachts säuft sie, nimmt jede Menge Drogen und Medikamente, vögelt sich durch alle Betten, hat Bulimie und Panik vor Mäusen.

Ihre Mutter ist Psychotherapeutin, der Vater Psychiater, beide gestresst und lieblos, die Erziehung überliessen sie Nannys. Die Typische Rich-Kids Kindheit in den USA. Damit die Tochter in der Schule mitkommt, wird sie ordentlich mit Ritalin versorgt, das heutige Pausenbrot.

Sie lächzt nach Aufmerksamkeit und die kriegt sie als Drogendealerin der Schule. Eltern mit Rezeptblöcken sei Dank, ist für Nachschub immer gesorgt. Sie ist bekannt und gefragt, aber Freunde hat sie überhaupt keine.

Sie zieht nach New York und nachts durch die Clubs. Als junge, blonde, willige Frau kommt sie überall rein. Tagsüber arbeitet sie zunächst als Praktikantin, dann als Assistentin und später wird sie sogar selber Beauty Redakteurin. Trotz des aufregenden Lebens hat sie keine Freunde, absolut niemanden also nimmt sie Drogen, um die Einsamkeit zu überdecken.

Ritalin allein reicht schon lange nicht mehr, Adderall und unzählige Medikamente, die sie am Tag wach halten und nachts zum Einschlafen bringen, schluckt sie wie M&Ms. Andere Drogen als Beilage. Sie verhütet nie, Schwangerschaften enden mit Abtreibung. Essstörung, endlose Partys, zahlreiche Affären, an die sie sich nicht mal mehr erinnert und Drogenexzesse prägen ihr Leben.


Ich bin auf dieses Buch auf meinem Reader gestossen. Keine Ahnung, wann und weshalb ich mir das heruntergeladen habe. Wollte nur kurz sehen, um was es geht und bin hängengeblieben.

Liest man die Geschichte der kleinen Cat, kann sie einem einfach nur leidtun. Ihre Geschichte hat sehr traurige Seiten, wenn sie zum Beispiel schreibt, wie sie am Boden liegt, zerstört, kraftlos und weinend ihre Eltern anruft und um Hilfe bittet, weil sie von Aderral abhängig ist und der Vater sie anschreit „Davon wird niemand abhängig“ und die Mutter meint „Dann nimm halt wieder Ritalin“.

Schockierend, wie einfach es ist, an Medikamente zu kommen. Sie hatte fünf Psychiater, zu denen sie nur ging, um sich Medikamente verschreiben zu lassen, Krankenversichert ist sie ja als reiches Mädchen. Man kann einfach hingehen und seine Wünsche durchgeben, Valium, Vicodin, Adderall, Ritalin, Xanax. Ihre Liste ist endlos.

Nach der Hälfte hab ich mehr oder weniger quergelesen. Ich als Leser fand es langweilig zu wissen, was sie jeden Tag anzieht und sich ins Gesicht schmiert und auch, welche Strasse sie nun schon wieder gelaufen ist, wo sie ihr Essen schon wieder gekauft hat, nur um es danach auszukotzen. Hinzu wiederholt sie ständig, welche Drogen sie alles wieder konsumiert hat.

Sie zelebriert ihren Drogenkonsum regelrecht. Sie ist begeistert von dieser Glamour-Welt, alle sind supertoll, Anna Wintour eine Göttin, vor der man auf die Knie fällt. Vieles hat sie angeschnitten, aber dann nicht weitererzählt. Sie will es sich mit der Society offenbar nicht verscherzen, alle sind einfach supertoll.

Am Ende haben sich aber doch alle lieb, ihre Mutter und ihr Vater sind am Ende plötzlich doch die besten Eltern, die es gibt und einfach supertoll.

Sie lächzt nach Aufmerksamkeit, nach Bewunderung und dieses Buch ist nichts anderes als ein langweiliger Aufschrei eines Partygirls, dass Angst hat, vergessen zu werden.

Bewertung: 1 von 5.

Feuer und Stein – Diana Gabaldon

1946, der 2. Weltkrieg ist zu Ende. Claire Randall und ihr Mann Frank waren lange Zeit getrennt und geniessen nun ihre zweiten Flitterwochen in den Highlands von Schottland, bevor sie ihr gemeinsam Leben wieder aufbauen wollen.

Mr. Cook zeigt ihnen den Steinkreis von Craigh na Dun. Als Claire noch mal alleine zu den Steinen geht, wird sie auf einen Spalt im Stein neugierig und steckt ihre Hand rein. Prompt wird sie ins 18. Jahrhundert, ins Jahr 1743, verfrachtet.

Zuerst von Jonathan Randall aufgefangen, dann von den MacKenzies gefangengenommen muss sie erklären, woher sie in ihrer Kleidung herkommt. Dabei lernt sie auch Jamie kennen, einen verletzten Clanführer auf der Flucht. Da sie Krankenschwester ist  und ihm helfen kann, wird sie bald als Heilerin angesehen und da ist der Ruf als Hexe nicht weit.

Sie wird zur Heirat mit Jamie gezwungen, aber zwischen den beiden entwickelt sich echte Liebe und Leidenschaft. Sie müssen auf der Flucht vor den Engländern und den Intrigen und Misstrauen in ihren eigenen Reihen ständig auf der Hut sein. Da ist aber auch noch ihre Sehnsucht nach Frank und ihrem alten Leben.

Meine Meinung:
Ich war sehr schnell in der Geschichte gefangen. Ihr Schreibstil ist einfach, aber nicht plump. Was für mich gar nicht funktioniert hat, ist die Ich-Erzählung.

Das erste drittel des Buches fand ich spannend und es gab auch immer wieder sehr komische Stellen, dann aber wurde es immer langweiliger.  Sie hat Jamie geheiratet und dann ging es nur noch um Sex, Sex und nochmal Sex, dazwischen ein bisschen Entführung und Alltag.

Für mich ist es kein Historischer Roman. Am Anfang wird Schottland sicher gut beschrieben, aber dann sind es nur noch zwischenmenschliche Beziehungen, die sich in jedem Dorf, zu jeder Zeit hätten abspielen können. Eine kurze Beschreibung hier und da über die Landschaft macht für mich noch keinen Historischen Roman aus. Zwar sind die Clan-Nachnamen echt, aber alle Personen, Burgen etc. frei erfunden.

Für die witzigen Szenen gebe ich einen Punkt, aber ich hab keine Lust auf weitere Teile oder die Serie.

Bewertung: 1 von 5.

🤦‍♀️

In der Nacht – Dennis Lehane

Die Zeit der Wirtschaftskrise und Prohibition in den USA. Joe Coughlin, ein kleiner 19-jähriger Gangster in Boston, geht eine Affäre mit Emma ein, die Geliebte des gegnerischen Bandenbosses Albert White.

Bei einem Banküberfall von Joe und seinen Freunden gehen plötzlich drei tote Polizisten auf Joes Konto, auch wenn es nicht seine Schuld war. Im Knast lernt er einen anderen Gangsterboss Maso kennen, der ihn protegiert.

Dank seines Polizeichef-Vaters kommt er nach kurzer Zeit wieder raus und übernimmt von Maso den Alkoholschmuggel in Florida und wird so sehr reich, auch sonst scheint ihm alles zu gelingen. Seine Emma stirbt durch Alberts Männer, ihre Leiche wird aber nie gefunden. Er scheint trotzdem sein Glück mit einer anderen Frau gefunden zu haben.


Lehanes Schreibstil gefällt mir sehr. Witzig, schräg, abstrakt, immer der Situation entsprechend.

Am Ende war ich aber troztdem enttäuscht. Lehane hat hier ein Hollywood-Drehbuch abgeliefert. Joe ist ein weichgespülter Gangster, ein Held trotz seiner Taten. Sein Aufstieg-und-Fall ist eine oberflächliche 08/15 Gangstergeschichte, nichts Neues. Beim Lesen hab ich mir schon vorgestellt, welcher Schauspieler welchen Part übernehmen wird und wer am Ende als Held in den Sonnenuntergang reitet.

Ein nettes Buch, das am Ende keinen grossen Eindruck hinterlässt.

Bewertung: 2 von 5.

Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Joël Dicker

Marcus Goldman ist ein Erfolgsautor und unter Druck. Er muss sein nächstes Buch schreiben, leidet aber unter einer Schreibblockade. Da beschliesst er seinen alten Freund und Mentor Harry zu besuchen.

Kurz darauf wird in Harry’s Garten die Leiche der vor 33 Jahren verschwundenen 15-jährigen Nola entdeckt und Harry des Mordes beschuldigt. Marcus beschliesst seinem Freund beizustehen und die Wahrheit aufzudecken.


Aurora ist ein typisch amerikanischen Kleinstädtchen, mit allen Klischees einer amerikanischen Kleinstadt, wie sie schon in unzähligen Büchern und Filmen gezeigt wurde. Ich fand es erstaunlich, dass ich es trotzdem unglaublich spannend fand.

Der Roman geht über 700 Seiten, behandelt Vergangenheit und Gegenwart, aber es war nie langweilig. Kaum dachte ich, ich weiss nun was Sache ist, kam es dann doch anders. Dank der sehr vielen Wendungen ein kurzweiliges und spannendes Vergnügen bis zum Schluss. Sehr lesenswert!

Bewertung: 5 von 5.

Die Geschichte der Baltimores

Joël Dicker

Bis zum Tag der Katastrophe gab es zwei Goldman-Familien. Die Baltimore-Goldmans und die Montclair-Goldmans.

Die »Montclairs« sind eine typische Mittelstandsfamilie, kleines Haus im unschicken New Jersey, staatliche Schule für Marcus, den einzigen Sohn.

Ganz anders die Goldmans aus Baltimore. Man ist wohlhabend und erfolgreich, der Sohn Hillel hochbegabt, der Adoptivsohn Woody ein Sportass erster Güte.

Als Kind ist Marcus hin- und hergerissen zwischen Bewunderung für diese »besseren« Verwandten und Eifersucht auf ihr perfektes Leben. Doch Hillel und Woody sind seine besten Freunde, zu dritt sind sie unschlagbar, zu dritt schwärmen sie für das Nachbarsmädchen Alexandra – bis ihre heile Welt eines Tages für immer zerbricht.

Acht Jahre danach beschließt Marcus, inzwischen längst berühmter Schriftsteller, dass es Zeit ist, die Geschichte der Baltimores aufzuschreiben. Aber das Leben ist komplizierter als geahnt, und die »Wahrheit« über ihre Familie scheint viele Gesichter zu haben.


Das ich es nicht schlechter bewerte, liegt definitiv daran, dass es sehr leicht zu lesen ist, in einem Wisch hatte ich es durch und fühlte mich durchaus unterhalten. Es ist aber nicht der Brüller, als der er angepriesen wird.

Dieses vor, nach, während „der Katastrophe“ hat mich genervt. Immer dieses Wort „Katastrophe.“ Offensichtlich hat er versucht Spannung aufzubauen, nur kam wenig hinterher und dieses Wort fand ich störend.

In den Kapiteln wird deutlich gemacht, in welchem Jahr wir uns befinden, aber es war mir manchmal zu viel, da es sehr sprunghaft zwischen den 90er, Anfang 2000ern, 2011 bis 2012 hin und her ging. Ich brauchte immer einen Moment, um mich zu erinnern, wo das neue Kapitel in der Geschichte anknüpft.

Die Charaktere sind Stereotypen und was mir gefehlt hat, waren Emotionen. Selbst Marcus, der ja aus der Ich-Perspektive die Geschichte seiner Familie erzählt, kommt sehr sachlich daher. Es liest sich auch dementsprechend nüchtern.

Im Verlauf des Buches tauchen immer mehr Fragen auf, ich hab schon befürchtet, am Ende von der Auflösung masslos enttäuscht zu werden, aber das war zum Glück nicht der Fall. Auch wenn alles nicht ganz stimmig war, so war es doch nachvollziehbar.

Nichtsdestotrotz war es gute Unterhaltung.

Bewertung: 3 von 5.

Die Lieben der Melody Shee

Donal Ryan

In ihrer Ehe unglücklich, beginnt die Lehrerin Melody eine Affäre mit dem Traveller-Jungen, dem sie Lesen und Schreiben beibringen sollte. Nun ist sie schwanger. Ihr Mann ist ausgezogen. Ihr Tagebuch startet in der zwölften Woche.

Wöchentlich führt sie Tagebuch, beschreibt ihren Alltag, die Emotionen einer Frau in deren Bauch ein Mensch heranwächst, eine betrügende Ehefrau im katholischen Irland zu sein. Sie blickt auf ihr Leben. So vieles ist schiefgelaufen. Die Gegenwart ist das Resultat der Fehler der Vergangenheit.


Mir ist es wunderbar gelungen in die Geschichte hineinzufinden, die Erzählweise hat mich sofort gepackt und in Melodys Gedanken- und Gefühlswelt hineingezogen.
Ihre Geschichte ist sehr authentisch, kaum zu glauben, dass dieses Tagebuch von einem Mann geschrieben wurde.

Offen und ehrlich beschreibt sie ihren Alltag, was sie denkt und fühlt. Die Beziehung zu ihrem Erzkatholischen Vater, der sie liebt und gleichzeitig den Bastard, die Todsünde, in ihr wachsen sieht. Sie blickt auf Ihr Leben, ihre gescheiterte Ehe, begangene Fehler zurück. Sie fühlt sich immer mehr zu den Travellers hingezogen, hat nun eine neue Schülerin und da verliert sich die Geschichte.

Melody verkommt zu einer Nebenfigur ihrer eigenen Geschichte und die Lücke wird nicht gefüllt. Wir sind mal hier, mal da. Das Band zwischen Leser und Melody wird gedehnt bis es nicht mehr vorhanden ist.


Das ist mein zweites Buch von Ryan und wie auch in „Die Gesichter der Wahrheit“ war ich auch bei diesem Buch am Ende enttäuscht. Auch hier hat er sich ab der Mitte verloren. Das Ende auch hier voll offener Fragen.

Es ist kein Ende einer Geschichte, die Frau hat einfach aufgehört Tagebuch zu schreiben, auf all die Fragen als Leser gibt es keine Antwort mehr. Ich fand es sehr schade, dass nach dem tollen Anfang so ein übler Nachgeschmack blieb.

Bewertung: 3 von 5.

Ein Mann namens Ove

Frederik Backmann

Ove ist 59, fährt einen Saab und wurde vorzeitig in Rente geschickt. Er soll sich ausruhen, haben sie ihm in der Firma gesagt. Er versteht die Welt nicht mehr. Da ist er plötzlich an einem Dienstag zu Hause und putzt die Küche. Das darf ja wohl nicht wahr sein!

Jeden Morgen macht er seine Runde durch das Viertel, kontrolliert, ob die Fahrräder auch wirklich im Fahrradschuppen sind, ob ein Besucher seine Parkzeit auf dem Besucherparkplatz eventuell überschritten hat oder riecht an den Pflastersteinen, ob der Hund vom Schaf nebenan draufgepisst hat.

Das ist Ove. Zuverlässig, fleissig, pflichtbewusst, schweigsam. Regeln sind nun mal Regeln und wo kämen wir hin, wenn sich niemand mehr daran hielte. Er hat die Regeln nicht gemacht, sie sind aber nun mal da und müssen befolgt werden.

Ove sieht die Welt schwarz oder weiss, seine Frau Sonja war Farbe. Sie starb sechs Monate zuvor. Er will ihr folgen, denn ohne sie ist das Leben nicht schön.

Eine neue Familie, eine ausländische Frau samt Trottel von Mann und zwei kleinen Mädchen, zieht ins Nachbarhaus ein und ein Vieh, das wohl mal eine Katze war, klebt nun auch ständig an ihm. Er möchte einfach nur seiner Frau folgen, aber man lässt ihn einfach nicht in Ruhe sterben, dauernd wird er gestört.


Die Kapitel wechseln zwischen Gegenwart und Vergangenheit. Es ist einfach geschrieben mit Ironie und Witz. Ove ist wohl ein Nachbar, den sich keiner wünscht, eine richtige Nervensäge und doch wächst er einem einfach ans Herz.

Die Beziehung zu seiner Frau ist sehr berührend und ich hatte so manches Mal einen Kloss im Hals. Es sind vorallem die Kleinigkeiten, die plötzlich fehlen, wenn der geliebte Mensch nicht mehr da ist.

„Wir fürchten den Tod, doch die eigentliche Angst vieler Menschen ist die, dass er jemand anderen trifft. Dir grösste Angst ist immer die, dass der Tod uns stehenlässt. Und wir einsam und allein zurückbleiben.“

Es ist eine sehr berührende Geschichte über den kratzbürstigen, aber liebenswerten Ove, auf den man nicht mal böse sein kann. Eine gute Mischung aus Humor und Rührung.

Bewertung: 5 von 5.

😍

Tausend strahlende Sonnen

Khaled Hosseini

Mariam wächst in ärmlichen Verhältnissen auf. Obwohl ihr Vater reich ist, lebt die uneheliche Tochter mit ihrer verbitterten Mutter in einer Hütte einsam und abgelegen.
Als sie 15 wird, ändert sich an einem einzigem Tag alles. Sie wird verheiratet und zieht mit ihrem viel älteren Ehemann Rashid nach Kabul. Da muss sie sich seinen Regeln unterwerfen. Sie muss die Burka tragen und erlebt viel Gewalt und Demütigung, weil sie nicht in der Lage ist, ihm den langersehnten Sohn zu schenken.

Leila dagegen wächst ganz anders heran. Ihr Vater ist Lehrer und legt sehr viel Wert auf ihre Bildung. Mit dem Nachbarsjungen Tarik wächst sie auf und mit der Zeit verlieben sie sich ineinander. Aufgrund der politischen Unruhen zieht Tarik mit seinen Eltern weg, verspricht ihr aber zurückzukommen.

Leilas Eltern kommen bei einem Bombenanschlag ums Leben. Als sie auch noch von Tariks Tod hört, stimmt sie zu, Rashid zu heiraten. Zunächst wird sie von Rashid auf Händen getragen. Als sie ihm aber wieder eine Tochter schenkt, ändert sich das.

Rashids beide Frauen kommen am Anfang gar nicht klar miteinander, vor allem Mariam hat Mühe mit einer Zweitfrau. Dann wird den beiden aber bewusst, dass sie im selben Boot sitzen.


Ich konnte mir weder Mariam noch Leila als Kind vorstellen. Auch wenn die Geschichten der beiden sehr früh anfingen, waren das Gedanken und Gefühle von Erwachsen. Ansonsten ist es einfach zu lesen, die Geschichte ist flüssig und verständlich geschrieben. Die jüngste Geschichte und Kultur Afghanistans wird einem Nahe gebracht und auch wie sich die Situation für Frauen in Afghanistan verschlechtert hat.

Abgesehen von den beiden Frauen, ist der ganze Rest oberflächlich beschrieben, so dass ich nicht gepackt wurde. Teilweise ist die Geschichte vorhersehbar. Es gab schon Stellen, die mich sehr traurig gemacht haben, das lag aber an der Tatsache, dass ich Nachrichtenbilder im Kopf hatte und das dies eben nicht nur eine fiktive Geschichte sondern Realität ist.

Insgesamt ist es ein solider Roman, aber kein Meisterwerk.

Bewertung: 4 von 5.

Der Circle – Dave Eggers

Mae ist überglücklich. Durch die Hilfe ihrer Freundin Annie darf sie bei der besten Firma der Welt arbeiten.

Circle hat Facebook, Twitter und Co. geschluckt und jeder Kunde im Internet hat nur noch eine einzige, eindeutige Identität, um alle Geschäfte abzuwickeln, damit fällt die Anonymität weg.

Das Ziel der „drei Weisen“, mit dem Wegfall der Anonymität, wird sich auch jeder automatisch benehmen, die Kriminalität geht zurück, die Sicherheit ist gewährleistet und jeder kann über jeden alles sehen. Nichts wird gelöscht und alles ist für jeden weltweit sichtbar.

Unwissenheit ist furchtbar, Geheimnisse, Privatsphäre, Anonymität sind der Feind einer sicheren Welt. Und wer nicht kriminell ist, hat doch nichts zu befürchten und soll doch nicht so egoistisch sein und seinen Alltag mit Freunden auf der ganzen Welt teilen, sie an den eigenen Erlebnissen teilhaben lassen, das ist Freundschaft, Verbundenheit, Gemeinschaft. Kaum wehrt sich einer dagegen, wird auf seinem Laptop auch gleich belastendes Material gefunden. Der Gut-Mensch hat ja nichts zu befürchten, nur eben Kriminelle.

Mae stürzt sich mit Begeisterung an ihre neue Arbeit und treibt den Gläserne-Bürger-Wahn noch weiter voran. Sie wird zur Vorzeigemitarbeiterin, süchtig nach Likes und Followern und dafür scheut sie kein Opfer.


Der gläserne Bürger ist das Ziel. Wir sind alle Kontrollfreaks geworden. Nicht nur werden wir von oben beobachtet sondern wir haben auch das Bedürfnis unsere Eltern, unsere Freunde, unsere Kinder, unsere Politiker zu kontrollieren oder ob jemand auf unserem Parkplatz parkt, während wir nicht da sind, ob unser Gemüse auch tatsächlich frisch im Laden ist. Wissen. Wir wollen alles wissen!

Mae ist ein ganz normaler Mensch, eine eher durchschnittliche Frau und am Anfang weiss sie nicht so recht, wie sie sich da einordnen soll. Doch durch Gespräche, die an Gehirnwäsche von Sekten erinnern, verinnerlicht sie sehr schnell die Ideologie von Circle. Sie wird quasi katholischer als der Papst.

Das Buch fängt eigentlich dort an, wo wir uns schon befinden. Es geht aber im rasenten Tempo weiter. Wir gehen nicht so schnell vor, was aber nicht heisst, dass das Szenario unrealistisch ist und nicht unsere nächste Zukunft wird.
Am Anfang hat man noch freiwillig ein Circle-Konto, aber durch gläserne Politiker, gläserne Demokratie, wird es zur Pflicht erhoben, natürlich der Einfachheit- und Sicherheitshalber. Damit auch ja kein Kind mehr entführt wird, werden Chips eingepflanzt, um häusliche Gewalt zu verhindern werden Kameras und Sensoren aufgestellt. Alles um eine bessere, sichere Welt zu haben, nach der wir uns alle so sehnen.

Egger geht es weniger um die Menschen. Er geht wenig auf eine Personen wirklich ein, es geht eher um das Aufzeigen, wo wir hinsteuern und wie wir einfach alles hinnehmen. Die, die es nicht tun, gehören zur Minderheit. Gerade weil Mae so eine Durchschnittsperson ist, will er aufzeigen, wie einfach man sich da einfangen lässt, wenn jemand die richtigen Knöpfe drückt. Eine durchschnittliche, noch junge und formbare Person, die plötzlich bewundert und geliked wird. Sie hat plötzlich ein Gefühl von Macht und gehört einer Gemeinschaft an, sie ist nicht allein, ihre Meinung zählt und sie hinterlässt Spuren in dieser Welt. Sie ist über jeden Kommentar so glücklich, so sinnlos er inhaltlich auch ist.

Die Geschichte hat mich sehr schnell gefangen genommen. Es ist leicht und flüssig zu lesen.
Manchmal war ich wegen dieser Jagd nach Bewertungen, Kommentaren, Likes und Followern beim Lesen schon selbst gestresst. Das Ende fand ich furchtbar, aber jedes andere wäre unglaubwürdig. Mir hat das Menschliche gefehlt, um in die totale Begeisterung zu verfallen, Circle ist der Hauptcharakter in diesem Buch.

Auf jeden Fall ein Buch, das zum Nachdenken anregt und das ich wirklich empfehle.

Bewertung: 5 von 5.
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